Mahatma (indisch): “Die große Seele”

Mahatma-Was ist das eigentlich? Offensichtlich gehen die Ursprünge bereits weit zurück. Nun, so schlimm auch wieder nicht, die erste urkundlich erwähnte und vom Webmaster notariell beglaubigte deutschsprachige “Mahatma”-Äußerung entstammt dem Jahr 1981.

Um Hintergründe und Zusammenhänge besser verstehen zu können, ist es sicherlich sinnvoll das damalige sozialkulturelle Umfeld zu beleuchten bzw. historische Zusammenhänge zu rekapitulieren. Auf Grund einwandfreier “Ursprungszeugnisse” (only Ossi`s) und des relativ niedrigen Durchschnittsalters aller Gründungsmitglieder dürfte die Erinnerung leicht fallen... .

Wir schreiben das Jahr 1981 im Sommer (Freundschaftsspiel Empor Erfurt vs.USV Magdeburg; zugegen war Herr Jens G.). Die mehr oder weniger subtile militärische und jede pluralistische Auffassung unterdrückende SED-Diktatur ist auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Udo Lindenberg Fans werden von in FDJ-Blusen getarnten Stasi-Schergen vom Palast der Republik “entfernt”, der NATO-Raketenbeschluß kommt unter Dach und Fach und ein Großteil der Gründungsmitglieder befindet sich, in dieser für den Weltfrieden angespannten Situation, in nachpubertären Beziehungskisten. Sämtliche “Mahatmas” durchlaufen das zwar politisch verbrämte aber zumindestens fachlich äußerst anspruchsvolle Ausbildungsprocedere des von Margot H. geleiteten Volksbildungsministeriums. Andere erhalten eine Berufsausbildung als Lehrling (damals gab es noch nicht das westlich geprägte Kunstwort “Azubi” und im übrigen auch hinreichend Lehrstellen - ja, ja es war nicht alles schlecht...) und erlernen einen “anständigen” Beruf um mit der gesamten Schaffenskraft den Wohlstand und Reichtum des Arbeiter- und Bauernstaates zu mehren. Die Jugendfreunde die damals die EOS besuchten (heute Gymnasium) unterliegen dem Spannungsfeld aus “Roter Druckbetankung” und dekadenter, bewußt durch “Schwarze Kanäle” lancierte Falschinformationen. War Egon Krenz nun schwul oder nicht...?


Folgerichtig suchen und finden die jungen Mahatmas (damals noch Kampfreserve der Partei) Ausgleich und Zerstreuung in mehr oder weniger anspruchsvoller Freizeitgestaltung. So glaubt ein Teil mit Sprüchen wie “Schwerter zu Pflugscharen” die Welt verbessern zu können, während andere doch lieber bei Musik (NDW war damals schwer in) und Sport (z.B. Schach, Fußball usw.) die Freizeit verbringen. Ein Hinweis sei an dieser Stelle erlaubt. In den Reihen der Mahatmas befinden sich zwei echte ehemalige DDR-Meister, nämlich im Rollhockey 1981 und 1982. Lange Haare waren IN (heute COOL), echte Westjeans sauteuer und nur selten zu bekommen und “Klettis” der Deichmann-Schuh der Ostzone. Neudeutsche Jugendfreuden wie kiffen, Neger klatschen, Drogen dealen oder im 125 dB Techno-Sound die Mc-Martens Stiefel zu schwingen, waren dem Wesen des Nachwuchsproletariers fremd. Man erfreute sich an Discos die gegen 24.00 Uhr mit dem obligatorischen Silly-Titel “Ich bin der letzte Kunde...” endeten und wankte mehr oder weniger volltrunken nach Hause bzw. zur nächsten Ecke um nach “Ullffff oder Rolffffff” zu brüllen... .

Und somit wären wir auch an einer ganz entscheidenden historischen Stelle. Alkohol prägte doch sehr die noch im Wachstum begriffenen Körper der Jungmahatmas. Der auch heute noch sehr beliebte “General des Bieres” brachte viel Freude in ansonsten vielleicht öde “Zusammenkünfte”. Dies ist verständlich vor dem Hintergrund das ein “Gutes Helles” damals noch für 0,40M (nicht DM !!) zu haben war. Das bedeutet, mit 5 Mark hatte man bereits viel Spaß. An dieser Stelle nochmals für unsere Kinder bzw. ungläubige Wessis: mit maximal 10 Mark (umgerechnet ca. 2 DM - Kurs:1988) war man stinkbesoffen !! Gute alte Zeit... . Aus Mangel an Freizeitangeboten (Was sind Fitnesscenter, Spaßbäder etc.??) traf sich somit das aufstrebende Kaderpotential der Mahatmas regelmäßig in entsprechenden Etablissements (Kneipen) zu zünftigen “Trinkerfestspielen”. Stark frequentierte “Trinkhallen” waren damals der legendäre “Thomashof”, “Zum Mohren”, die “Gondel”, die “Nonne” und zu vorgerückter Stunde der “Dreckige Löffel” (Welch stolze Namen!!). Ein besonderer Dank an dieser Stelle an Helga und Siggi die oft unter der Last der zu befördernden Bierrunden zu leiden hatten.


Dieses Gastronomenehepaar bot vielen von uns die Möglichkeit auch über die Sperrstunde hinaus zu saufen und dabei die eine oder andere “Unterweltgröße” kennenzulernen (“Bachus trinkus in Kopfus...”). Diese Tradition hat sich, wenn auch weitaus moderater, bis heute erhalten.

Somit werden bereits Eigenschaften deutlich die allen Mahatmas eigen sind:

1.Die Geselligkeit, 2. der Spaß (neudeutsch: Fun) und 3. der Suff (zwischenzeitlich nicht mehr so schlimm).

Doch wie lernten sich nun die bis dato eingetragen Vereinsmitglieder kennen? Offensichtlich waren Gundel und Schulle die Gründer, Schöpfer oder besser Stammväter der Mahatmafamilie. Dies ist wie nachfolgend bewiesen auch ganz richtig. Allerdings gab es damals noch eine andere Person (Persönlichkeit wäre vermessen) die uns, die Mahatmas, maßgeblich prägte und die letztendlich den Begriff erstmalig im ansonsten doch recht bescheidenen Sprachschatz erwähnte. Diese Person, die zwischenzeitlich völlig von der Bildfläche verschwunden ist, (Gerüchten zufolge soll er in Chemnitz ein bürgerlich korrektes Leben führen...) war “Tüns”. Dieser “Tüns” (keiner weiß mehr wie er wirklich hieß) war Mitglied der Ringclique mit der damals recht reger Umgang gepflegt wurde. Er war so etwas wie der Stichwortgeber, the Leader of the pack, der Oberguru, das Cliquenoberhaupt oder sonst etwas. Allerdings verfügte er jedoch über drei Eigenschaften, die noch bis heute überliefert sind. Erstens; er konnte saufen, zweitens; er war Fußballfan (damals Karl-Marx-Stadt) und für Zoff immer zu haben und drittens; er gebrauchte permanent den Ausdruck “MAHATMA”.

Ja, ja so doch teilweise völlig unscheinbar wirkende Ereignisse schreiben Weltgeschichte bzw. prägen Generationen oder zumindestens weite Kreise der Führungsriege des gesellschaftlichen Lebens. Der fremdländisch und exotisch klingende Begriff “Mahatma” machte von nun an Furore. Schnöde Trinksprüche wie “Prost” wurden ersetzt durch “Mahatma”, angetrunkene und grölende Nachwuchsteutonen zogen nicht, wie in Deutschland nicht unüblich mit “Sieg heil”- Rufen durch die Stadt, sondern gurgelten ein lustiges “Mahatma”. Von Panik gezeichnete und angstverzerrte Gesichter von Achterbahnjunkies riefen es ebenso und manch Kind wurde unter einem liebevoll gehauchten “Mahatma” gezeugt... .


Doch zurück zu den Ursprüngen. Es war im kalten Herbst und es war im Wehrlager. Bis dahin pazifistisch angehauchte und von der “Kunst des Tötens” völlig unbefleckte “Halbstarke” verbrachten nicht ganz freiwillig ein paar Tage in der Nähe von Ruhla zur “vormilitärischen Ausbildung”. Bereits damals wurden die noch unschuldigen Kindergehirne mit ideologisch verbrämten Gedankengut gefüttert (der Klassenfeind..... .). Ein kleines Ventil war dabei das allabendliche Pokerspiel, wo frustrierte Helden die Möglichkeit fanden “Kameraden” (oder besser Genossen) kennenzulernen. So kam es dann auch, daß Gundel und Schulle gemeinsam Poker spielten. Fast beiläufig wurde dabei erwähnt, daß Gundel Musik macht und seine Band auf der Suche nach einem Drummer ist. Und so ergab sich, so zumindestens die Legende, daß beide “Urmahatmas” zusammen kamen... .

Die GST (Gesellschaft für Sport und Technik) war es also. So mühten sich die Ausbilder redlich den “Jungen Genossen” die erforderliche Härte beizubringen (eine im übrigen in der Marktwirtschaft ausgesprochen bewährte Eigenschaft) und die Rekruten hatten nichts weiter im Kopf als “abducken”, “abdrücken”, “abklappen” - zu deutsch möglichst ein drittes Ei wachsen zu lassen. Es gibt gesicherte Überlieferungen die belegen, daß es tatsächlich “Küchenbullen” mit drei Eiern gab, echt ! So war es fast zwangsläufig, daß sich geschundene Seelen fanden. Am Prozeß Beteiligte waren damals so zart besaitete Persönlichkeiten wie Serveni, Chris, Hühni, Gundel und Schulle. Im Anschluß traf man sich hin und wieder zu einer Reservisten-Party. Schulle brachte in die “Familie” ein: Chris, Hühni, Frank W., Matthias und damals noch Frey, Höfler, Hempel & die Ringgang, Friedo, Olaf...u.a. . Gundel brachte folgende Aussteuer mit: Frank Z., Helmut, Cliff, Christoph, Hofer jun. & sen., Sauer, Wurm... u.a. .

Dies alles geschah 1982. “A star was born”. Die überlieferte Akquisition von Schulle zu “Total” (heutige Transfersummen waren damals unüblich, Schulle ging sozusagen für einen Apfel und ein Ei, obwohl es Angebote gab von renommierten Bands wie “Schlußlicht” und “Schleimkeim”...) durch Gundel war sozusagen die Geburtsstunde von “Total”. Die Band war für die damalige Zeit so etwas wie neudeutsch “independent”, also Kult. Mit Texten wie “Schweine im Weltall” und “Flieg mit mir” demonstrieren die damaligen Bandmitglieder (Kresse, Gundel, Niko, Schulle und diverse Gastmusiker) das künstlerische Potential und prägten mithin ihre Generation. Die Gruppe und deren Mitglieder verkörperten den damaligen Zeitgeist, der schwankte zwischen “Macht kaputt, was Euch kaputt macht” und “...bau auf, bau auf, bau auf, bau auf, freie deutsche Jugend bau auf...”. Das Spannungsfeld konnte somit für die noch ungefestigten Seelen schwieriger nicht sein und so entluden sich auch öfter “Mahatmasaufgelage” nach Proben, an Gartenzäunen deren Widerstandskraft nur selten den Füßen und Ellenbogen der Halbstarken gewachsen war. Dennoch war “Total” beliebt und gefragt (heute: angesagt). Die damalige “Totalmania” endete in Auftritten vor mehreren Hundertschaften zügelloser und unbändiger Fans im Kulturzentrum zu Neudietendorf oder der Gastwirtschaft von Helga und Siggi... .

Randglosse Neudietendorf: Dies war der erste und beste Auftritt von “Total” überhaupt. Grölende Horden versuchten sich im KZ von Neudietendorf Einlaß zu verschaffen. Durch Disco (Peter Schilling:”Major Tom”) und Alkohol angeheizt, stieg die Stimmung schnell und als gegen 22.00 Uhr “Total” die Bühne betrat, war alles “to late”. Hühni kauerte am Schlagzeug und hielt inbrünstig dasselbige, Gundel sang und Tüns schrie permanent “Schulzfatz, Schulzfatz...”. Der Wirt hatte Sorge um seinen Saal und als “Total” dankbar seinen Fans Freibier für alle ausrief, war “Polen” offen... . Unvergessen auch die Heimfahrt. Da der Motorisierungsgrad zu DDR-Zeiten noch weitaus geringer war als heute blieb den doch arg gebeutelten Fans und den Musikern nichts weiter übrig als gegen 2.00 Uhr den Interzonenzug nach Erfurt zu nehmen. Noch heute sehen wir die vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen der Schwestern und Brüdern aus der BRD. So hatten die sich den Osten nicht vorgestellt! Beschauliche und betuchte ältere Wessis, trafen auf mit Musikinstrumenten bewaffnete, besoffene und ausgesprochen aggressive Proleten die mit “Hurra, hurra, der Pumuckel ist wieder da (O-Ton Herr Tüns)...” die Genossen der Trapo geradezu provozierten. Schon damals zeichnete sich ein Ost-West- Konflikt ab. (Aus diesem Erfahrungsschatz schöpfend, wäre es sicherlich sinnvoll gewesen zumindestens einen Mahatma in die Verhandlungen zum Einigungsvertrag zu involvieren. Anm.d.Red.). Insgesamt dennoch ein stetig in Erinnerung bleibender gelungener Abend... .




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